Freitag, 18. Januar 2013

Staat oder Privatrechtsgesellschaft?

Der vorliegende Text von Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe ist eine Abschrift seiner Rede vom 24. September 2010 auf dem 14. Philosophicum in Lech am Arlberg.
Prof. Hoppe zeigt auf, dass das Modell der Privatrechtsgesellschaft keine Utopie, sondern logisch stringent, realisierbar und die moralischste Form gesellschaftlichen Zusammenlebens ist. Der Begriff Privatrechtsgesellschaft meint hier eine freie Gesellschaftsordnung, also den gesellschaftlichen Zustand des herrschaftsfreien Zusammenlebens ausschließlich auf Basis von freiwilliger Kooperation und Verträgen, den man wahlweise auch mit Anarchismus, Libertarismus, Anarchokapitalismusfreier Marktwirtschaft oder Voluntarismus betiteln könnte, denn alle diese Begriffe meinen - fernab aller ideologischer Färbungen und Umdeutungen - im Kern dieselbe herrschaftsfreie Gesellschaftsordnung.
Am 23.11.2012 hielt Prof. Hoppe diesen Vortrag auch an der Akademie Modelhof in Müll-heim in der Schweiz. Der Vortrag und die anschließende Diskussion wurden aufgezeichnet und kürzlich auf der Internetpräsenz des Ludwig von Mises Institut Deutschland veröffentlicht.

Das Problem gesellschaftlicher Ordnung
Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe
Robinson Crusoe, allein auf seiner Insel, kann tun und lassen was er will. Die Frage nach Regeln eines geordneten menschlichen Zusammenlebens stellt sich für ihn nicht. Diese Frage kann naturgemäß erst auftreten, wenn eine zweite Person, Freitag, die Insel betritt. Doch auch dann bleibt die Frage so lange irrelevant, so lange es keine Knappheit gibt. Angenommen, es handele sich bei der Insel um das Schlaraffenland. Alle äußeren Güter existieren im Überfluss. Sie sind “freie Güter,” so wie die Luft, die wir atmen, üblicherweise ein “freies” Gut ist. Was auch immer Robinson mit diesen Gütern gegenwärtig anstellt, seine Handlungen haben weder Rückwirkungen auf seinen eigenen zukünftigen Gütervorrat, noch auf den gegenwärtigen oder zukünftigen Vorrat derselben Güter seitens Freitag (und umgekehrt). Es ist deshalb ausgeschlossen, dass es zwischen Robinson und Freitag jemals zu einem Konflikt hinsichtlich der Verwendung dieser Güter kommen kann. Ein Konflikt ist erst dann möglich, wenn Güter knapp sind, und erst dann wird es zum Problem, Regeln zu finden, die ein geordnetes – konfliktfreies – Zusammenleben ermöglichen.

Im Schlaraffenland gibt es nur ein knappes Gut: den physischen Körper einer Person und dessen jeweiligen Standplatz. Robinson und Freitag haben jeweils nur einen einzigen Körper und Standplatz. Sie können nicht gleichzeitig an mehreren Standorten anwesend sein, und sie können nicht gleichzeitig sämtliche ihrer Bedürfnisse befriedigen. Vielmehr müssen sie unaufhörlich zwischen besseren und schlechteren Standorten und vorrangigen und nachrangigen Bedürfnissen wählen. Doch damit kann es zwischen Robinson und Freitag auch zu Konflikten kommen: Robinson und Freitag können nicht gleichzeitig denselben Standplatz einnehmen wollen, ohne dabei in einen physischen Konflikt miteinander zu geraten. Deshalb muss es selbst im allgemeinen Überfluss des Schlaraffenlandes Regeln des Zusammenlebens geben – Regeln hinsichtlich der Platzierung und räumlichen Bewegung von Personen. Und außerhalb des Schlaraffenlandes, im Reich der Knappheit, muss es darüber hinaus Regeln geben, die den Umgang nicht nur mit Personenkörpern und ihren Standplätzen, sondern mit allen knappen Gütern so ordnen, dass sämtliche möglichen Konflikte ausgeschlossen werden können. Dies ist das Problem gesellschaftlicher Ordnung.
Die Problemlösung: die Idee des Privateigentums
Vorschläge zur Lösung des Problems gesellschaftlicher Ordnung gibt es viele, und diese Vorschlagsvielfalt hat dazu beigetragen, dass die Suche nach einer einzigen, “korrekten” Problemlösung vielfach für illusorisch gehalten wird. Und doch gibt es eine seit langem bekannte korrekte Lösung, und für einen moralischen Relativismus besteht deshalb keinerlei Grund. Die Lösung des Problems gesellschaftlicher Ordnung ist die Idee des Privateigentums.
Zunächst formuliere ich die Lösung für den speziellen Fall des Schlaraffenlandes und anschließend für den allgemeinen Fall einer Welt, die durch all-umfassende Güterknappheit gekennzeichnet ist.
Im Schlaraffenland besteht die Lösung in einer einfachen Regel, die bestimmt, dass jede Person ihren Körper überall platzieren und hinbewegen darf, vorausgesetzt nur, dass diese Standorte nicht bereits vorher von den Körpern anderer Personen eingenommen worden sind. Und außerhalb des Schlaraffenlandes besteht die Lösung in vier logisch miteinander verbundenen Regeln.
Erstens: Jede Person ist der private (exklusive) Eigentümer ihres physischen Körpers. In der Tat, wer sonst, wenn nicht Robinson, sollte der Eigentümer von Robinsons Körper sein? Freitag, oder Robinson und Freitag gemeinsam? Aber dann würde Konflikt nicht zweckgemäß vermieden, sondern erzeugt und vorprogrammiert!
Zweitens: Jede Person ist darüber hinaus privater Eigentümer aller derjenigen natur-gegebenen Güter (Dinge), die sie zuerst als knapp wahrgenommen und mit Hilfe ihres eigenen Körpers zu nutzen und bearbeiten begonnen hat, d.h., bevor dieselben Güter von anderen Personen als knapp wahrgenommen und benutzt wurden. Wer sonst, wenn nicht der erste Nutzer, sollte ihr Eigentümer sein? Der zweite Nutzer, oder der erste und der zweite gemeinsam? Doch dann würde Konflikt wiederum zweckwidrig erzeugt, statt vermieden!
Drittens: Jede Person, die mit Hilfe ihres Körpers und anderer von ihr “ursprünglich” angeeigneter Dinge (Güter) dann weitere Güter herstellt, wird damit zum Eigentümer dieser zusätzlichen Güter, vorausgesetzt nur, dass sie im Produktionsprozess nicht die physische Integrität des Eigentums anderer Personen unaufgefordert verletzt.
Viertens: Nachdem ein Gut erstmals von einer Person angeeignet worden ist, indem diese, wie John Locke es ausgedrückt hat, ihre Arbeit mit ihm “gemischt” hat, kann Eigentum an ihm und allen weiteren, mit seiner Hilfe hergestellten Güter nur noch auf dem Weg einer freiwilligen, d.h., wechselseitig vorteilhaften und konfliktfreien, Eigentumstitelübertragung von einem früheren auf einen späteren Eigentümer erfolgen.
An dieser Stelle kann ich mir eine ausführliche, sowohl ethische als auch ökonomische Rechtfertigung dieser Regeln ersparen. Das ist andernorts geschehen. Hier gilt es nur folgendes kategorisch festzuhalten.
Entgegen der vielfach gehörten Behauptung, es handele sich bei der gerade erläuterten Institution des Privateigentums nur um eine Konvention, muss vielmehr dies konstatiert werden: Eine Konvention dient einem Zweck und es gibt zu ihr eine Alternative. So ist zum Beispiel das lateinische Alphabet eine Konvention. Es dient dem Zweck der schriftlichen Kommunikation und es gibt zu ihm eine Alternative, wie z. B. das kyrillische Alphabet. Doch was ist der Zweck von Regeln bzw. Normen? Gäbe es keine interpersonellen Konflikte – d.h. gäbe es aufgrund einer prästabilierten Harmonie der Interessen aller Personen nie eine Situation, in der zwei oder mehr Personen ein- und dasselbe Gut einer unterschiedlichen (inkompatiblen) Nutzung zuführen wollen – dann benötigte man keinerlei Normen. Es ist der Zweck von Normen, ansonsten unvermeidbaren Konflikt zu vermeiden. Eine Norm, die Konflikte erzeugt, anstatt sie zu vermeiden, widerspricht dem Sinn einer Norm. Es ist eine dys-funktionale Norm bzw. eine Perversität. Hinsichtlich des Zwecks der Konfliktvermeidung ist die Institution des Privateigentums nun aber ersichtlich keine bloße Konvention Denn es gibt zu ihr keine Alternative. Nur privates (exklusives) Eigentum macht es möglich, dass alle ansonsten unvermeidbaren Konflikte tatsächlich vermieden werden können. Und nur wenn privates Eigentum in letzter Instanz auf ursprüngliche individuelle Aneignungsakte zurückgeht, ist es möglich, dass jeder mögliche Konflikt von Anfang der Menschheit an vermieden werden kann. Denn nur eine erste Aneignung eines zuvor unangeeigneten Gutes kann konfliktfrei erfolgen, einfach deshalb, weil (per definitionem) niemand zuvor irgendetwas mit dem Gut zu tun gehabt haben kann.
Das Problem der Normdurchsetzung und des Privateigentumschutzes: der Staat
So wichtig die Einsicht in die Alternativlosigkeit der Einrichtung des Privateigentums als Mittel der Konfliktlösung ist, sie reicht doch nicht aus, um auch tatsächlich soziale Ordnung zu schaffen. Denn auch wenn jedermann weiß, wie Konflikte vermieden werden können, so ist es doch möglich, dass Personen Konflikte gar nicht vermeiden wollen, sondern sich von ihnen persönliche Vorteile (auf Kosten anderer) erhoffen. In der Tat, so lange Menschen sind wie sie sind, wird es auch Mörder, Räuber, Diebe und Betrüger geben, die sich nicht an die erläuterten Regeln halten. Eine jede Sozialordnung benötigt darum, um Bestand zu haben, Mechanismen, die dafür sorgen, dass Regelbrecher erfolgreich in Schach gehalten werden. Doch wie ist diese Aufgabe zu lösen, und durch wen?
Die Standardantwort auf diese Frage lautet: dies, d.h., die Durchsetzung von Recht und Ordnung, ist die vornehmste (und einzige) Aufgabe des Staates. Das ist insbesondere die Antwort, die seitens des klassischen Liberalismus gegeben wird, auch von meinem persönlichen intellektuellen Lehrmeister, dem großen österreichischen Wirtschafts- und Gesellschaftstheoretiker Ludwig von Mises. Ob diese Antwort zutrifft, hängt davon ab, was der Staat ist. Der Staat ist, dieser Standardantwort zufolge, nicht einfach eine normale, spezialisierte Firma. Statt dessen wird der Staat als eine Agentur definiert, die durch zwei besondere, logisch verbundene Merkmale gekennzeichnet ist. Erstens (und entscheidend) ist der Staat eine Agentur, die ein territoriales Monopol der Letztentscheidung bezüglich sämtlicher Konfliktfälle ausübt. Der Staat ist der ultimative Schiedsrichter bei allen Konfliktfällen, einschließlich solcher, in die er bzw. seine Agenten selbst verwickelt ist bzw. sind. Es gibt keine höhere Appellationsinstanz als den Staat selbst. Und zweitens besitzt der Staat ein territoriales Monopol der Besteuerung. Das heißt, der Staat kann einseitig, ohne die Zustimmung sämtlicher Betroffener, den Preis bestimmen, den die auf “seinem” Territorium ansässigen Personen für die Finanzierung seiner letzt-richterlichen Tätigkeit bezahlen müssen.
Der Grundirrtum des Etatismus
So weitverbreitet diese Standardantwort und die ihr entsprechende Auffassung von der Notwendigkeit und Wünschbarkeit der Einrichtung eines Staates als eines territorialen Monopolisten ultimativer Rechtsprechung ist, so steht sie doch im eklatanten Widerspruch zu elementaren ethischen und ökonomischen Grundsätzen und Gesetzen.
Zunächst: Zwei unter Ökonomen und politischen Philosophen nahezu einhellig akzeptierte Aussagen sind diese:
- Erstens: Jedes “Monopol” ist aus Sicht von Konsumenten “schlecht.” Monopol ist dabei in klassischer Weise definiert als ein einem einzigen Dienstleistungs- oder Güterproduzenten verliehenes Privileg, d.h. als Abwesenheit “freien Eintritts” in einen bestimmten Produktionsbereich. Nur ein Produzent, A, darf ein bestimmtes Gut, X, herstellen. Ein solcher Monopolist ist “schlecht” für Konsumenten weil, vor potenziellen Anbieterkonkurrenten geschützt, der Preis seines Produkts höher und dessen Qualität niedriger sein wird als bei freier Konkurrenz.
- Und zweitens: Die Produktion von Recht und Ordnung bzw. von “Rechtssicherheit,” ist die erstrangige Aufgabe eines “Staates” (so wie er gerade definiert worden ist). Sicherheit wird dabei in der weiten, in der amerikanischen Unabhaengigkeitserklärung verwendeten Bedeutung verstanden: als Schutz von Leben, Eigentum und dem persönlichen Glücksstreben, vor innerer und äußerer Aggression, d.h. Kriminalität und Krieg.
Beide Aussagen sind offenkundig miteinander unvereinbar. Doch hat dieser Umstand Ökonomen und Philosophen nur selten Sorgen bereitet. Und wenn doch, so ist es die typische Reaktion, die ausnahmslose Geltung der ersteren, nicht aber der letzteren Aussage in Zweifel zu ziehen. Dabei gibt es schlagende theoretische Gründe (und Berge empirischer Evidenz) dafür, umgekehrt die Geltung letzterer Aussage zu bestreiten.
Als territoriales Monopol der ultimativen Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung ist der Staat nicht nur irgend-ein Monopolist, wie z.B. ein Milchmonopolist oder ein Automonopolist, der Milch oder Autos von vergleichsweise geringerer Qualität und zu höheren Preisen produziert. Im Unterschied zu allen übrigen Monopolisten kann der Staat außer minderwertigen Gütern vielmehr auch Un-Güter produzieren. In der Tat, er muss erst Un-Güter produzieren, ehe er irgendetwas herstellen kann, das dann als (minderwertiges) Gut angesehen werden kann.
Wenn eine Agentur Letztentscheidungsbefugnis in sämtlichen Fällen von Konflikt hat, dann hat sie diese Befugnis auch bezüglich aller Konfliktfälle, die sie selbst involvieren. Dementsprechend muss es erwartet werden, dass der Monopolist nicht bloß als Vermeider und Schlichter von Konflikten tätig wird, sondern dass er insbesondere auch selbst Konflikte herbeiführt oder provoziert, um sie dann zu seinen eigenen Gunsten zu entscheiden. Wenn man nur an den Staat appellieren kann, um Gerechtigkeit zu erfahren, wird Gerechtigkeit zunehmend zugunsten des Staates pervertiert. Hieran können auch “Verfassungen” und “oberste Gerichte” nichts ändern. Denn es handelt sich hierbei doch immer um Staats-Verfassungen und Staats-Gerichte. Welche “Begrenzungen” diese Verfassungen einem Staat in seinem Tun auch immer auferlegen mögen, die Entscheidung darüber, ob sein Handeln rechtens oder unrechtens ist, wird in allen Fällen von Personen getroffen, die selbst Agenten des Staates sind. Es ist daher voraussehbar, dass die Definition von Privateigentum und Eigentumsschutz kontinuierlich zugunsten der legislativen Gewalt des Staates verändert und ausgehöhlt wird. An die Stelle eines ewigen, unverrueckbaren – erkenn- und einsehbaren – Rechts tritt willkürliche Gesetzgebung.
Mehr noch, als Letztentscheidungsinstanz verfügt der Staat auch über territoriale Steuer-hoheit, d.h. er darf einseitig, ohne die Zustimmung aller davon Betroffenen, den Preis festlegen, den die ihm unterworfenen Privatrechtssubjekte für das staatlich erbrachte, pervertierte Recht zu entrichten haben. Eine steuerfinanzierte Agentur, die beansprucht, Leben und Eigentum zu schützen, ist freilich ein Widerspruch in sich: ein enteignender Eigentumsschützer. Motiviert wie jedermann durch Selbstinteresse und Arbeitsleid, aber ausgestattet mit der einzigartigen Befugnis Steuern zu erheben, ist es darum zu erwarten, dass die Agenten des Staates stets versuchen werden, die Ausgaben für Sicherheit zu maximieren und gleichzeitig die tatsächliche Produktion von Sicherheit zu minimieren. Je mehr Geld man ausgeben kann und je weniger man dafür leisten muss, umso besser dran ist man.
Weitere etatistische Irrtuemer: der demokratische Staat
Neben dem Grundirrtum des Etatismus gibt es noch weitere, spezielle Irrtümer bezüglich des besonderen Falles eines demokratischen Staates, die hier zumindest kurz angesprochen werden müssen. (Eine ausführliche Behandlung dieses Themas ist ebenfalls andernorts erfolgt.)
Die traditionelle, vor-moderne Form des Staates ist die einer (absoluten) Monarchie. Der Monarchie als Staatsform wurde jedoch vorgeworfen, insbesondere auch von klassisch liberaler Seite, dass sie unvereinbar mit dem ehernen Grundsatz der “Gleichheit aller vor dem Gesetz” sei und statt dessen auf personellen Privilegien beruhe. Darum, so wurde argumentiert, galt es den monarchischen Staat durch einen demokratischen Staat zu ersetzen. Indem man jedermann gleichberechtigte Teilnahme an und Zutritt zu der Staatsregierung gewähre, statt diese einer privilegierten Klasse von Adligen vorzubehalten, meinte man, dem Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz entsprechen zu können.
In Wahrheit ist diese “demokratische Gleichheit” jedoch etwas völlig anderes, und gänzlich unvereinbar mit der Idee eines universellen Rechtes, das für jedermann gleichermaßen, überall und immer Geltung besitzt. Der vormalige, beanstandete Dualismus des Rechts – eines höheren Rechts der Könige und Adligen und eines niederen Rechts der Untertanen – bleibt unter demokratischen Bedingungen weiterhin in Kraft, wenn auch in anderer Gestalt. Er verwandelt sich nurmehr in einen Dualismus von sogenanntem “öffentlichen Recht” auf der einen Seite und “Privatrecht” auf der anderen, sowie der Überlegenheit des ersteren gegenüber dem letzteren. Unter demokratischen Bedingungen hat jede Person ein gleiches Eintrittsrecht in die Staatsregierung. Jeder kann sozusagen Koenig werden, nicht nur ein privilegierter Personenkreis. Es gibt von daher in der Demokratie keine personellen Privilegien oder privilegierte Personen. Doch gibt es funktionelle Privilegien und privilegierte Funktionen. Solange und insofern eine Person in offizieller (staatlicher) Funktion tätig ist, unterliegt ihr Handeln den Bestimmungen des “öffentlichen Rechts” und nimmt sie damit eine privilegierte Position gegenüber Personen ein, die unter der Autorität des bloßen Privatrechtes stehen. Als staatliche Funktionsträger dürfen Personen Handlungen durchführen, die ihnen als bloßen Privatpersonen strikt – als kriminell – untersagt sind. Insbesondere dürfen “öffentlich Bedienstete” ihre eigene Tätigkeit durch Steuern finanzieren oder subventionieren. Das heißt, sie müssen ihr Einkommen nicht, wie bei Privatrechtssubjekten der Fall, durch den Verkauf von Gütern oder Dienstleistungen erzielen für die es freiwillig zahlende Abnehmer gibt, sondern sie dürfen einseitig auferlegte Zwangsabgaben erheben. Kurz: sie dürfen als Staatsbedienstete das tun und davon leben, was im normalen Privatrechtsverkehr als Diebstahl und Diebesbeute gilt. Privilegien – und der Unterschied zwischen Herrschern und Untertanen – verschwinden also nicht unter demokratischen Verhältnissen. Vielmehr: Anstatt Diebstahl und Herrschaftsausübung auf nur einen Koenig und wenige Adlige zu begrenzen, wie unter monarchischen Bedingungen, erlaubt es die Demokratie allen Personen, zum Dieb zu werden und sich an der Diebesbeute zu beteiligen.
Unter demokratischen Bedingungen wird sich von daher die für ein jedes Monopol der ultimativen Rechtsprechung und –durchsetzung voraussagbare Tendenz, den Preis für Recht und Ordnung stetig zu verteuern und Recht qualitativ zunehmend durch Unrecht zu ersetzen, nicht vermindern, sondern voraussehbar nur noch weiter verstärken. Als Erb-Monopolist betrachtet ein Koenig bzw. Prinz “sein” Territorium und die unter seiner Rechtshoheit stehenden Bewohner als sein persönliches (vererbliches) Eigentum, und er ist mit der monopolistischen Ausbeutung dieses seines “Eigentums” befasst. Dies Monopol und die Praxis monopolistischer Ausbeutung verschwindet in der Demokratie nicht. Was in der Demokratie vielmehr geschieht, ist dies: an die Stelle von Koenig und Adel, die das Land als ihr Erb-Eigentum betrachten und es entsprechend ausbeuten, treten temporäre und beliebig austauschbare Verwalter desselben Landes. Diese Verwalter sind und begreifen sich nicht als Eigentümer des betreffenden Landes, aber so lange sie in offizieller Funktion handeln, ist es ihnen gestattet, das Land zu ihren eigenen Gunsten und dem ihrer Günstlinge auszubeuten. Das heißt: demokratische Herrscher verfügen über ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht bezüglich eines Landes – usufruct – aber sie sind nicht die Eigentümer des Kapitalstocks, den das Land repräsentiert. Ausbeutung hört damit nicht auf. Im Gegenteil: die Ausbeutung wird weniger berechnend – weil sich ein  Verwalter, im Gegensatz zu einem Eigentümer, wenig oder gar nicht um die Rückwirkungen seiner gegenwärtigen Handlungen auf den Wert des Kapitalstocks kümmert. Ausbeutung wird kurzsichtig und führt zu erhöhtem Kapitalverzehr.
Die Lösung: Privatrechtsgesellschaft statt Staatsordnung
Wenn der Staat und insbesondere der demokratische Staat nachweislich untauglich ist, soziale Ordnung aufrechtzuerhalten; wenn er, anstatt Konflikte vermeiden zu helfen, selbst Quelle andauernden Konfliktes ist; und wenn er, anstatt Rechtssicherheit zu gewährleisten, selbst durch Gesetz-gebung andauernd Unsicherheit schafft und Recht durch Willkür ersetzt, dann stellt sich unausweichlich die Frage nach der korrekten – offenkundig nicht-etatistischen Lösung des Problems sozialer Ordnung: von Recht und Rechtsdurchsetzung (Sicherheit).
Die Lösung ist eine reine Privatrechtsordnung, d.h., eine Gesellschaft, in der jede Person und Institution ein- und denselben (eingangs erläuterten) Rechtsregeln unterworfen ist. Es gibt in dieser Gesellschaft kein sogenanntes “öffentliches Recht”, das Staatsangestellten funktionelle Privilegien gegenüber bloßen Privatpersonen einräumt, und kein “öffentliches Eigentum.” Es gibt kein ultimatives Rechtsmonopol und kein Steuerprivileg. Es gibt in dieser Gesellschaft nur Privateigentum und ein für jedermann gleichermaßen gültiges Privatrecht. Demzufolge ist es niemandem gestattet, Eigentum anders zu erwerben als durch ursprüngliche Aneignung, durch Produktion oder freiwilligen Austausch. Und niemandem ist es gestattet, eine andere Person an der freien Nutzung ihres privaten Eigentums zu hindern. Das heißt, jede Person ist berechtigt – mit ihrem Eigentum – bei der Herstellung aller beliebigen Güter und Dienstleistungen mit jeder anderen Person in Wettbewerb um freiwillig zahlende Kunden zu treten.
Konkret im Hinblick auf unser Problem bedeutet dies: die Produktion von Sicherheit (Recht und Ordnung) wird in einer Privatrechtsgesellschaft von frei finanzierten und im freien Wettbewerb miteinander stehenden Dienstleistern und Dienstleistungsunternehmen erledigt, genauso wie die Produktion aller übrigen Güter und Dienstleistungen.
Es wäre vermessen, die genaue Struktur der sich in einer Privatrechtsgesellschaft herausbildenden und entwickelnden “Sicherheitsindustrie” voraussagen zu wollen. Doch stellt es keine Schwierigkeit dar, einige zentrale Unterschiede herauszuarbeiten, die eine privatrechtlich organisierte Sicherheitsindustrie ebenso grundlegend wie vorteilhaft von der gegenwärtigen, sattsam bekannten staatlichen Produktion von (Un-)Recht und (Un-)Ordnung unterscheiden.
Obwohl Selbstverteidigung im Rahmen einer komplexen, arbeitsteiligen Gesellschaft nur eine zweitrangige Rolle bei der Produktion von Sicherheit spielen wird (aus unten noch zu erläuternden Gründen), so gilt es doch zunächst festzuhalten, dass in einer Privatrechtsgesellschaft jedermanns Recht, sich selbst gegenüber Angreifern auf seine Person und sein Eigentum verteidigen zu dürfen, unbestritten ist. Im Unterschied zur gegenwärtigen, etatistschen Praxis, die Bürger zunehmend zu entwaffnen und Angreifern wehrlos auszuliefern (wehrlose Bürger schützen schließlich auch den Staat bei der Steuereintreibung!), ist der private Besitz von Waffen in einer Privatrechtsgesellschaft sakrosankt. Und wie man aus der Erfahrung des keineswegs wilden, sogenannten Wilden Westens sowie einer großen Zahl neuerer empirischer Untersuchungen über den Zusammenhang von Waffenbesitz und Kriminalität weiß, ist die Kriminalitätsrate umso niedriger, je höher und weitverbreiteter der private Waffenbesitz ist. More guns, less crime!
Doch so wie man in einer entwickelten Wirtschaft in aller Regel nicht seine eigenen Schuhe, Anzüge, Fernsehapparate oder Telefone produziert, so ist es zu erwarten, dass man sich auch hinsichtlich der Produktion von Sicherheit weitgehend auf die Vorteile der Arbeitsteilung verlässt, und das umso mehr, je mehr Eigentum eine Person besitzt bzw. je reicher eine Gesellschaft insgesamt ist. Der Großteil des Angebots an Sicherheitsleistungen wird von daher zweifellos seitens spezialisierter und miteinander im Wettbewerb um freiwillig zahlende Klienten stehender Unternehmen erbracht werden: durch diverse private Polizei-, Versicherungs- und Schlichtungsagenturen.
Wollte man den entscheidenden Unterschied einer privatrechtlich organisierten Sicherheitsindustrie zur gegenwärtigen etatistischen Praxis in einem einzigen Wort zusammenfassen, so wäre dies: Vertrag. Der Staat operiert als ultimativer Rechtsmonopolist in einem vertragslosen rechtlichen Vakuum. Es gibt keinen Vertrag zwischen Staat und Bürger. Es ist nicht fixiert, wem was als Eigentum gehört und was es darum zu schützen gilt. Es ist nicht fixiert, welche Leistung staatlicherseits erbracht wird, was im Fall der Nichterbringung dieser Leistung geschieht, noch was der Preis ist, den der “Kunde” für eine derartige “Leistung” zu zahlen hat. Vielmehr setzt der Staat die Regeln des Spiels einseitig fest und kann sie während des Spiels, per Gesetzgebung, einseitig verändern. Ein derartiges Verhalten ist für frei finanzierte Sicherheitsanbieter ersichtlich ausgeschlossen. Man stelle sich nur einmal einen Sicherheitsanbieter vor, gleichgültig ob Polizei, Versicherer oder Schlichter, dessen Angebot darin besteht, zu sagen: ich garantiere Dir vertraglich gar nichts: weder sage ich Dir zu, welche Sachen es denn konkret sind, die ich als “Dein Eigentum” zu schützen gedenke, noch sage ich Dir, was ich mich zu tun verpflichte, wenn ich meine Leistung Deiner Auffassung zufolge nicht erbringe – aber ich behalte mir in jedem Fall das Recht vor, einseitig den Preis fuer meine dermaßen undefinierte Leistung festzulegen. Ein solcher Anbieter würde mangels Kunden sofort vom Markt verschwinden. Jeder private, frei finanzierte Sicherheitsproduzent muss seinen prospektiven Kunden darum einen Vertrag anbieten. Und diese Verträge müssen, um freiwillig zahlenden Kunden annehmbar erscheinen zu können, klare Eigentumsbeschreibungen sowie klar und eindeutig definierte wechselseitige Leistungen und Verpflichtungen enthalten, und sie können während ihrer vereinbarten Geltungsdauer nur im wechselseitigen Einverständnis aller Betroffenen verändert werden.
Aus diesem Grundvorzug ergeben sich all übrigen Vorzüge einer privatrechtlich organisierten Sicherheitsindustrie.
So sorgt der Wettbewerb unter frei finanzierten Sicherheitsagenturen zunächst dafür, dass der Preis für Sicherheit (per Werteinheit) tendenziell fällt, während er unter gegenwärtigen monopolistischen Bedingungen ständig steigt.
Darüber hinaus sorgt Wettbewerb dafür, dass es weder zur Über- noch zur Unterproduktion von Sicherheit kommt, sondern das Gut Sicherheit den Stellenwert einnimmt, den ihm freiwillig zahlende Konsumenten tatsächlich zumessen. Sicherheitsgüter und –leistungen stehen im Wettbewerb mit allen anderen Gütern und Leistungen. Je mehr Geld für die Produktion von Sicherheit aufgewendet wird, umso weniger Geld bleibt, um andere Bedürfnisse, wie z.B. nach einem Auto oder Urlaub, zu befriedigen. Ähnlich sind Sicherheitsleistungen, die einer Personengruppe A zugutekommen, nicht mehr verfügbar für eine andere Gruppe B. Unabhängig von freiwilligen Konsumentenentscheidungen und frei vom Druck, Verluste vermeiden zu müssen, sind die diesbezüglichen Entscheidungen des Staates (wie viel Sicherheit und für wen?) grundsätzlich willkürlich. In einem System wettbewerblich betriebener Sicherheitsproduktion verschwindet diese Willkür. Sicherheit erhält die ihr in den Augen der Konsumenten angemessen erscheinende relative Bedeutung, und niemandes Sicherheit wird auf Kosten der Sicherheit anderer begünstigt. Jeder erhält soviel Sicherheit, wie es seiner persönlichen Zahlungsbereitschaft entspricht.
Doch insbesondere sind die Vorteile einer auf vertraglicher Basis beruhenden Produktion von Recht und Ordnung inhaltlich-qualitativer Natur.
Da ist zunächst das Problem der Verbrechensbekämpfung. Der Staat ist hier notorisch ineffizient, weil die Bezahlung seiner mit dieser Aufgabe betreuten Agenten aus Steuermitteln, d.h. unabhängig von ihrer Produktivität, erfolgt. Warum sollte man arbeiten, wenn man auch für das Nichtstun belohnt wird? Mehr noch, es darf sogar unterstellt werden, dass die staatlichen Verbrechensbekämpfer ein gewisses Interesse an einer hohen Kriminalitätsrate haben, weil sich auf diese Weise höhere Budgetzuweisungen rechtfertigen lassen. Und noch schlimmer: bei der staatlichen Verbrechensbekämpfung spielt das Opfer und die Opferentschädigung keinerlei nennenswerte Rolle. Der Staat entschädigt Opfer nicht. Ganz im Gegenteil, das Opfer wird noch zusätzlich beleidigt, indem man es, qua Steuerzahler, auch noch zur finanziellen Unterhaltung des eingekerkerten Täters heranzieht (wenn man ihn denn fasst). Ganz anders dagegen ist die Situation in einer Privatrechtsgesellschaft. Sicherheitsanbieter, namentlich Versicherungen, müssen ihre Klienten im Schadensfall identifizieren (andernfalls finden sie schlicht keine Kunden). Sie müssen von daher effizient bei der Verbrechensbekämpfung sein. Sie müssen effizient bei der Prävention von Verbrechen sein, denn wenn sie ein Verbrechen nicht verhindern, müssen sie zahlen. Sie müssen effizient sein bei der Wiederauffindung gestohlener Güter, denn andernfalls müssen sie diese Güter ersetzen. Und vor allem müssen sie effizient bei der Aufspürung der Täter sein. Denn nur wenn der Täter aufgespürt wird, ist es möglich, ihn für die Opferentschädigung heranzuziehen, und auf diese Weise die eigenen Kosten zu reduzieren.
Darüber hinausgehend wirkt sich eine privatwirtschaftlich organisierte Sicherheitsindustrie auch generell friedensförderlich aus. Staaten sind, wie schon ausgeführt, von Natur aus aggressiv. Sie können Konflikte verursachen oder provozieren, um diese dann zu ihren eigenen Gunsten zu “lösen.” Oder anders gesagt: Staaten dürfen die mit Aggression verbundenen Kosten auf andere Personen, d.h., die Steuerzahler, abwälzen und sind von daher aggressiver, sowohl gegenüber der “eigenen” Bevölkerung als auch gegenüber “Ausländern” (in der Form kriegerischer Handlungen). Dagegen sind konkurrierende Versicherungen von Natur aus defensiv und friedfertig. Denn einerseits ist jede Aggression kostspielig, erfordert also höhere Prämien, und führt somit zum Verlust von Kunden. Und andererseits sind nicht alle Risiken versicherbar. Nur Risiken, die den Charakter von “Unfällen” haben, sind versicherbar. Risiken dagegen, deren Wahrscheinlichkeit durch individuelle Handlungswahlen beeinflusst werden können, sind nicht versicherbar, sondern müssen individuell getragen und verantwortet werden. So ist es z.B. versicherungstechnisch unmöglich, sich gegen das Risiko zu versichern, morgen Selbstmord zu begehen oder das eigene Haus in Brand zu setzen. Ebenso ist es unmöglich, sich gegen das Risiko eines Geschäftsbankrotts, der Arbeitslosigkeit, oder das Gefühl, seine Nachbarn nicht ausstehen zu können, zu versichern. Denn in jedem dieser Fälle hat eine Person individuelle Kontrolle, direkt oder indirekt, hinsichtlich des Eintretens des betreffenden Risikos. Diese nicht-Versicherbarkeit individueller Handlungen und Gefühle bedeutet konkret, dass keine Versicherung bereit ist, das Schadenrisiko abzudecken, das aus provokanten Handlungen des Versicherungsnehmers resultiert. Jeder Versicherer wird vielmehr darauf bestehen, dass sich sämtliche Versicherungsnehmer verpflichten, auf Provokationen aller Art zu verzichten.
Aus denselben finanziellen Erwägungen heraus werden Versicherer auch darauf bestehen, dass sich sämtliche Versicherungsnehmer dazu verpflichten, von allen Formen der Selbstjustiz Abstand zu nehmen (außer vielleicht in ganz exzeptionellen Fällen). Denn Selbstjustiz, auch wenn sie rechtens ist, erzeugt in jedem Fall Unsicherheiten und provoziert mögliche Vergeltungstaten seitens Dritter. Indem Versicherungsnehmer statt dessen verpflichtet werden, sich geregelten und öffentlich-durchsichtigen Verfahren zu unterwerfen, wann immer sie sich für angegriffen und geschädigt halten, können solche Störungen und damit verbundene Kosten weitgehend vermieden werden. Schließlich ist es erwähnenswert, dass die Verfolgung opferloser “Verbrechen,” wie z.B. die Herstellung oder der Konsum “illegaler” Drogen, die Prostitution oder das Glücksspiel, im Rahmen einer Privatrechtsgesellschaft keinerlei Rolle spielen wird. Während steuerfinanzierte Agenturen gegenwärtig in großem Stil und mit riesigem Aufwand gegen solche “Verbrechen” vorgehen, würden frei finanzierte Versicherungen sie als nicht-aggressive Privatangelegenheiten ignorieren. Eine “Versicherung” gegen derartige “Verbrechen” würde höhere Versicherungsprämien erfordern. Doch da diese “Verbrechen,” im Unterschied zu einem echten Verbrechen gegen Person und Eigentum, keinerlei Opfer erzeugen, würde sich niemand finden, der für einen derartigen “Schutz” mehr Geld auszugeben gewillt ist.
Und noch etwas gilt es in diesem Zusammenhang zu konstatieren. Während Staaten, wie schon festgestellt, immer und überall darauf bedacht sind, ihre Bevölkerung zu entwaffnen und somit eines zentralen Mittels der Selbstverteidigung zu berauben, kommt es in einer Privatrechtsgesellschaft zur umgekehrten Tendenz einer systematischen Volksbewaffnung. Man stelle sich nur vor, ein Sicherheitsproduzent mache es zur Bedingung, dass jeder seiner Kunden sich erst vollständig zu entwaffnen habe, ehe man ihn zu verteidigen gedenke. Mit Recht würde jedermann dies für einen bösen Witz halten und das Angebot dankend ablehnen. Im Gegensatz dazu belohnen Versicherungsgesellschaften bewaffnete, und insbesondere in der Handhabung von Waffen ausgebildete Personen mit niedrigeren Versicherungsprämien, genauso wie sie heute schon die Besitzer von Warnanlagen und Safes belohnen.
Schließlich hat ein System konkurrierender Sicherheitsproduzenten eine zweifache Auswirkung auf die Entwicklung des Rechts. Zum einen erlaubt es eine größere Variabilität des Rechts als es unter monopolistischen Bedingungen der Fall ist. Die Sicherheitsproduzenten können nicht nur hinsichtlich des Preises, sondern auch mittels Produktdifferenzierung konkurrieren. Katholische Produzenten bieten kanonisches Recht an, jüdische Produzenten mosaisches Recht, moslemische Produzenten islamisches Recht und nicht-religiöse Produzenten säkulares Recht. Niemand muss unter einem “fremden” Recht leben.
Zum anderen fördert dasselbe System privater Rechts- und Ordnungsproduktion gleichzeitig auch eine Tendenz zur Rechtsvereinheitlichung. Denn das “heimische” – kanonische, mosaische, römische, usw. – Recht findet nur auf diejenigen Personen Anwendung, die es tatsächlich gewählt haben. Das kanonische Recht z.B. wird nur auf bekennende Katholiken und bei intra-katholischen Zwistigkeiten angewendet. Doch kann es z.B. auch zu Streit zwischen Katholiken und Moslems kommen, und beide Rechtsordnungen mögen in bestimmten Fällen nicht zum gleichen Urteil gelangen. In diesem Fall gibt es für alle betroffenen Parteien – Versicherer und Versicherte – nur eine Lösung. Für diesen Fall muss sich ein jeder Versicherer und jeder seiner Klienten von vornherein dem Urteil eines unabhängigen Schlichters unterwerfen. Dieser Schlichter ist nicht nur unabhängig, er ist auch die einhellige Wahl beider Versicherer. Der Schlichter wird gewählt, aufgrund der gemeinsamen Erwartung, dass er die Fähigkeit besitzt, wechselseitig annehmbare Lösungen in Fällen von Inter-Gruppen Konflikten zu formulieren. Scheitert er an dieser Aufgabe und verkündet Urteile, die von der einen oder der anderen Seite als “unfair” angesehen werden, so wird er im nächsten Fall von einem anderen, konkurrierenden Schlichter abgelöst werden. Aus dieser ständigen, sachlich unerlässlichen Kooperation diverser Versicherer und unabhängiger Schlichter bei der Behandlung von Inter-Gruppen Konflikten erwächst so eine stetige Tendenz zur Vereinheitlichung des Eigentums- und Vertragsrechts, sowie der Harmonisierung von Verfahrens-, Beweis-, und Schlichtungsregeln. Jeder Versicherer und Versicherungsnehmer ist Teilnehmer eines integrierten Systems umfassender Konfliktvermeidung und Friedenssicherung. Jeder Konflikt und jeder Schadensanspruch, gleichgültig wo, zwischen wem und von wem an wen gerichtet, fällt in die Rechtsprechung eines oder mehrerer genau angebbarer Versicherer und wird entweder mittels des “heimatlichen” Rechts eines einzelnen Versicherers gelöst oder aber des “internationalen” Schlichter-Rechts, auf das man sich von vornherein vertraglich geeinigt hat.
An die Stelle von Konflikt und Unrecht, wie sie die gegenwärtige, etatistische Situation kennzeichnen, tritt damit Frieden, Recht und Rechtssicherheit.
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Der Text von Hans-Hermann Hoppe ist eine Abschrift seiner Rede vom 24.09.2010 auf dem 14. Philosophicum in Lech am Arlberg. Der vorliegende Text wurde zwecks verbesserter Lesbarkeit an vereinzelten Textstellen angepasst.
Hans-Hermann Hoppe ist Ökonom in der Tradition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, Libertärer und anarcho-kapitalistischer Gesellschaftstheoretiker. Hoppe studierte Philosophie, Soziologie, Geschichte und Volkswirtschaftslehre. Er promovierte 1974 und habilitierte 1981. Von 1986 bis 2008 war er Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of Nevada in Las Vegas und ist Distinguished Fellow des Ludwig von Mises Institute. Hoppe gründete im Mai 2006 die Property and Freedom Society, deren Vorstand er heute noch ist. Seine Webseite ist http://www.hanshoppe.com.